«Wir müssen mehr zusammenrücken»

Im Interview erläutert Hans Wicki, Präsident Bauenschweiz und Nidwalnder Ständerat, welche Herausforderungen der Bau meistert und in welche Richtung sich der Bau entwickeln soll. 

 

Der letzte Vergabemonitor von Bauenschweiz zeigt, dass die Revision des öffentlichen Beschaffungswesens ein Stück weit zu einem Kulturwandel geführt hat und Kriterien wie die Nachhaltigkeit an Bedeutung gewonnen haben. Wird das neue BöB Innovationen, mehr Qualität und mehr Umweltschutz auf dem Bau ermöglichen? 

Davon bin ich überzeugt. Ich würde es aber anders formulieren. Es sind damit noch mehr Innovationen im Bereich der Nachhaltigkeit möglich. Im Gesetz verankerte Beschaffungsformen wie der Dialog machen es zudem möglich, dass die Bauherren die Planenden und Ausführenden noch früher in das Projekt einbinden und wir damit unsere Innovationen auch früh einbringen können. Die erwähnten Dialogverfahren haben übrigens gemäss dem im Januar publizierten Vergabemonitor deutlich zugenommen.

 

Öffentliche Bauherren sind einem gewissen öffentlichen Druck ausgesetzt und müssen ihre finanziellen Mittel effizient einsetzen. Gleichzeitig nehmen sie eine wichtige Vorbildfunktion ein, indem sie etwa Recyclingmaterialien als Baustoffe einsetzen. Geschieht dies häufig genug?

Die Richtung dieses Kulturwandels stimmt, das Tempo nicht. Gemessen am neusten Vergabemonitor nehmen sie diese Rolle vermehrt wahr, aber noch nicht genug. Das vorteilhafteste Angebot und damit der Fokus auf die Qualitätskriterien ist im öffentlichen Beschaffungsrecht verankert. Im Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz hat die Bevölkerung letzten Juni im Artikel 10 zudem eine Vorbildfunktion von Bund, Kantonen und Gemeinden verankert. Der Nationalrat bestätigt hoffentlich in der Frühlingssession die Verankerung des zirkulären Bauens im Umweltschutzgesetz. Was ich damit aufzeigen will ist, dass nun auch der gesetzliche Rahmen da ist.

 

Neue partnerschaftliche Vertragsmodelle wie die Projektallianzen – das entsprechende SIA-Merkblatt dazu soll in diesem Sommer in Kraft treten – sollen das Bauen weiterbringen. Sie bieten viele Vorteile, etwa den Fokus auf die Qualität. Sehen Sie Hürden bei der Implementierung, steht das Kartellrecht dem vielleicht entgegen?  

Aus meiner Sicht wurden in der Arbeitsgruppe der SIA 118 alle Fragen rund um die öffentliche Beschaffung geklärt, entsprechende Experten der Universität Freiburg involviert und sowohl öffentliche wie auch private Bauherren in den Dialog eingebunden.

 

Ein anderer Vorteil der Projektallianz, sagt man, ist, dass die einzelnen Bau-Gewerke, die bei Bauvorhaben mit einem traditionellen Vertragsmodell sehr unabhängig voneinander agieren, stärker kooperieren. Als Präsident des Dachverbandes: Denken Sie, dass der Bau künftig stärker zusammenrücken wird?

Wir müssen mehr zusammenrücken. Bauherren, Planende und Ausführende haben in den nächsten Jahrzehnten spannende aber eben auch riesige Hausaufgaben zu stemmen. Die Lösungen sind grundsätzlich vorhanden. Unsere Industrie hat sich diesbezüglich bereits stark verbessert und ist sich am fit machen für alle Fragen rund um die Modernisierung vom Gebäude- und Infrastrukturpark. Um diese Herausforderungen als Chance zu packen, braucht es neben den für viele Bauprojekte bewährten Abläufen auch Wertschöpfungspartnerschaften mit einem Fokus auf das gemeinsame Ziel.

Erlauben sie mir einen Exkurs: die Kombination von spannenden Hausaufgaben und den aktuellen Entwicklungen in unserer Branche mit mehr partnerschaftlicher Zusammenarbeit oder den digitalen Werkzeugen machen unsere Berufe sehr attraktiv. In unserer Branche kann man wirklich einen Unterschied machen und an den Klima-, Ressourcen und Energiezielen mitarbeiten.

 

Die Kommission des Ständerats behandelt derzeit die Revision des Kartellgesetzes. Wie schildern Ihnen Unternehmen die aktuelle Rechtspraxis in Untersuchungen und Verfahren?

Dass wir mit dem Kartellgesetz, dem Engagement der Branchenverbände mit Rechtsauskünften oder Merkblättern in den letzten Jahren einerseits viel erreicht haben, sich anderseits aber die Praxis der Untersuchungen und Verfahren von der Grundidee des Gesetzgebers entfremdet. In Gesprächen mit Unternehmen aus allen Wirtschaftszweigen ist die Vorverurteilung, die langjährigen Verfahren eine enorme unternehmerische Belastung. Es darf nicht sein, dass nur auf die Form einer Abrede fokussiert wird, ohne dass die Behörde Überlegungen dazu anstellen muss, ob die Abrede überhaupt schädlich ist. Wir müssen verankern, dass eine Verhaltensweise nur dann unzulässig ist, wenn im Einzelfall tatsächlich eine Abrede bestand und diese im konkreten Fall tatsächlich wettbewerbswidrige Auswirkungen hatte. Ich bin der Meinung, dass die vom Bundesrat vorgelegte Revision zur Umsetzung meiner vom Parlament überwiesenen Motion in die richtige Richtung geht, aber klar zu schwach ist. Mindestens so wichtig wie die aktuell laufende Gesetzesänderung ist aber die noch ausstehende institutionelle Reform der WEKO, die hoffentlich bald lanciert werden wird.

 

Schätzungen wie Studien der Raiffeisenbank oder der UBS gehen davon aus, dass in der Schweiz jährlich 10 000 bis 15 000 Wohnungen zu wenig gebaut werden. Baustellen stossen aufgrund der Lärmemissionen oder Staubildung nicht immer auf Akzeptanz in der Öffentlichkeit auch wenn Immobilien oder Infrastruktur benötigt werden. Was sollte getan werden, damit Baustellen in der Zukunft stärker von der Öffentlichkeit akzeptiert werden?

Ein wichtiger Hebel ist die Öffentlichkeitsarbeit. Verbände der Bauwirtschaft haben gemeinsam mit den beiden Dachverbänden Bauenschweiz und KGTV erste Weichen gestellt, um gemeinsame und zu den Branchenverbänden flankierende Aktivitäten umzusetzen. Wir müssen unsere Rolle und Bedeutung über die ganze Wertschöpfungskette in den Fokus rücken. Aktuelle ist der Ball bei Verbänden und Unternehmen eine Unterstützung und Mitfinanzierung basierend auf unserem Projektpapier zu prüfen. Kommt diese Unterstützung zusammen, legen wir bei Bauenschweiz los.

 

Heutige Baubewilligungsverfahren dauern länger als früher. Die Luzerner Kantonalbank hat ausgerechnet, dass im Kanton Luzern sich die Bewilligungsverfahren im Schnitt um 100 Tage verlängert haben. In Nidwalden dauert es 35 Prozent länger als noch vor zehn Jahren. Was kann dagegen getan werden?

Ich sehe drei Problemzonen: Bei den Bewilligungsverfahren braucht es viel mehr Einflussnahme von der Exekutive, die das Streben nach zusätzlicher Bearbeitungstiefe ihrer Mitarbeitenden verhindern. Wir müssen uns wieder auf den eigentlichen Sinn einer Baubewilligung zurückbesinnen – die Überprüfung des Gesuchs auf gesetzliche Bestimmungen. Alles andere kann den Bauherren, Planenden und Ausführenden überlassen werden. Zweitens belastet der Denkmalschutz die Bewilligung unglaublich. Auch da sollten wir uns auf den eigentlichen Zweck zurückbesinnen. Der Denkmalschutz muss nicht auch noch im Umkreis von 200 m eines schützenswerten Objektes das Bauen einschränken. Und dann sollte drittens eine unbegründete Einsprache, die nur zur Verzögerung dient, mit einer viel höheren Gebühr belastet werden.

 

Die Baubranche besteht aus verschiedenen Geprägen und fast jedes hat einen eigenen Verband. Wie können die Verbände einzeln, aber auch gemeinsam mehr in Bundesbern erreichen?

Über eine weitere Stärkung von Bauenschweiz. Wir sind schlank organisiert mit einer starken Mitwirkung der Verbände in der Positionsfindung und damit auch eine Allianz mit einer guten Geschichte über die ganze Wertschöpfungskette. Weiter oben habe ich es bereits erwähnt. Die Bauwirtschaft sitzt am Hebel für die Klima- Ressourcen- und Energieziele. Und wir sind mit 12 Prozent am Bruttoinlandprodukt ein wichtiger Wirtschaftsmotor. Eine noch stärkere Wahrnehmung und damit noch mehr Relevanz in Bundesbern bedingt aber auch, dass wir unsere Silos nicht nur auf den Bau- und Sanierungsvorhaben verlassen sondern auch bei den Verbänden.

 

Inwiefern werden sich die Baubranche und die Arbeit auf der Baustelle in zehn Jahren von heute unterscheiden? Welche Wege führen dorthin?

Ich wiederhole mich auch bei dieser Frage. Die partnerschaftlichen Zusammenarbeitsmodelle werden sich sowohl bei Hoch- und Tiefbauprojekten und sogar bei kleineren Sanierungsvorhaben verstärkt durchsetzen und die digitalen Werkzeuge machen die Berufe noch attraktiver für die jüngeren Generationen.

 

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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