«Wir sollten die Segel gemeinsam setzen»

Gian-Luca Lardi, Zentralpräsident des Schweizerischen Baumeisterverbandes SBV, dankte an der Delegiertenversammlung von Baukader Schweiz den Polieren und Bauführern, weil sie in der Coronakrise unternehmerisch handelten. Er warnte vor einer rückwärtsgerichteten Optik, die dem Ruf der Gewerkschaften folgt, und lud die Baukader ein, zusammen mit dem SBV die Zukunft zu gestalten. Nachfolgend die Rede.

 

«Ich bedanke mich bei Baukader Schweiz für die Einladung an ihre Delegiertenversammlung und für die Möglichkeit, einige Worte an Sie richten zu können. Gerade in den letzten 18 Monaten – während der Pandemie - haben Poliere und Bauführer eine hervorragende Arbeit geleistet. Als Vertrauenspersonen des Bauunternehmens und Entscheider auf der Baustelle haben sie dafür gesorgt, dass trotz Corona die Betriebe ihre Arbeiten nicht einstellen mussten. Dafür entrichte ich ihnen meinen aufrichtigen Dank. Es hat sich gezeigt, dass das Baukader «unternehmerisch», also zugunsten der Firma denkt und handelt, denn sie wissen, dass ihre Arbeitsplätze und die ihres Teams davon abhängen. Bei der Bewältigung ihres Arbeitsalltages müssen Baukader Verantwortung übernehmen und damit auch Druck aushalten. Das wissen die Unternehmer und sie handeln danach: die Lohnstatistiken belegen dies im Branchenvergleich eindrücklich. So kommt es, dass die Löhne der Poliere und Bauführer hochattraktiv sind und sogar mit denen von akademischen Berufen mithalten können. Im internationalen Vergleich verdienen Führungskräfte auf dem Bau nirgendwo mehr als in der Schweiz.

In unserem stark umkämpften Baumarkt sitzen Unternehmer und Kaderleute wie Sie im gleichen Boot. Wir setzen gemeinsam die Segel, um die Winde, die gleichzeitig Chance oder Risiko sein können, möglichst zum Vorteil aller zu nutzen. Als Arbeitgeberorganisation setzt sich der Baumeisterverband in der Zusammenarbeit mit Bauherren und Planern ein. Die digitale Transformation unserer Branche, die seit einigen Jahren stattfindet, wird auch die Bauberufe verändern. Der SBV schlägt mit dem Masterplan Berufsbildung 2030 diesen Kurs ein. Schon jetzt kann ich Ihnen versprechen: Die Poliere und die Bauführer werden der Dreh- und Angelpunkt auf der Baustelle bleiben.

Nun, ich habe von den gemeinsamen Zielen gesprochen. Um sie zu erreichen, müssen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer am selben Strick, am selben Tau, ziehen. Ich wünsche mir, dass auch ihre Organisation mit einer langfristigen Vision handelt. Um beim Bild des Segelschiffs zu bleiben: Wird der Wind falsch eingeschätzt und die Segel falsch gesetzt, droht das Boot zu kentern. Dann gehen beide unter, nicht nur der Bauunternehmer, sondern auch seine Angestellten. Daher führt es meines Erachtens nicht zum Ziel, wenn ihre Organisation dem Ruf der Gewerkschaften folgt, welche einer Ideologie des frühindustriellen Zeitalters des letzten Jahrhunderts nacheifern, als die Ausbeutung der Arbeitnehmenden tatsächlich eine Gefahr darstellte. Als ich kürzlich die Homepage von Baukader Schweiz besuchte, prahlte an vorderster Front der Slogan: «Nase voll? Ab ins FAR!».

Nun, meine Damen und Herren, ist diese ihre Botschaft in Zeiten von Fachkräftemangel sinnvoll? Ist das die richtige Botschaft bei einem Beruf, der in den letzten Jahrzehnten an Automatisierung und Arbeitssicherheit enorme Fortschritte erlebt hat?

Will man so Junge für diesen wunderschönen Beruf begeistern? Dabei wäre es doch sehr viel zielführender, den Sinn und die Vorzüge unserer Tätigkeit zu übermitteln. Auszuführen, dass das Bauen die Zukunft ermöglicht und mitgestaltet. Dass ohne Immobilien und Infrastruktur kein modernes Leben möglich ist. Darzulegen, was das Faszinierende an den Bauberufen ist. Antworten und begeistern wir doch viel eher mit der Sinnfrage! Wieso bauen wir? Was ist das Faszinierende am Bauen? Wir realisieren Familienträume und können jeden Abend das Resultat unserer Arbeit bestaunen.

Natürlich bringt die sich immer rascher drehende Arbeitswelt auch Herausforderungen und Schwierigkeiten mit sich: Der Termin- und Kostendruck steigt, die Personalführung wird immer komplexer. Aber bringen wir mit einer rückwärtsgerichteten, gewerkschaftlichen Rhetorik die Bauberufe weiter? Ich meine nein.

Darum finde ich es monoton, die Verbesserung der monetären Arbeitsbedingungen repetitiv zu fordern, obwohl diese nicht nur schweizweit, sondern auch im weltweiten Vergleich unerreicht sind. Sehr geehrte Damen und Herren, die Probleme liegen woanders: hoher Kosten- und Termindruck ist problematisch, es besteht die Gefahr eines Burnouts. Aber diese Situation wird nicht dadurch entschärft, dass der Lohn oder die Zuschläge erhöht werden. Vielmehr gilt es, die Probleme proaktiv anzupacken. Die Aufgaben, die Kompetenzen und vor allem die Bauprozesse müssen diskutiert, revidiert und modernisiert werden. Die Welt dreht sich immer schneller. Das Baukader muss lebenslang lernen und sich ständig weiterbilden. Hier ist ihre Organisation gefragt!

Wir Baumeister tun viel, um dem Preisdruck und den geringen Margen entgegenzuwirken. So engagiert sich der SBV gegenüber den Bauherren intensiv für eine fairere Vergabepolitik. Dass der Paradigmenwechsel im öffentlichen Vergaberecht auf Anfang dieses Jahres Realität wurde, daran waren und sind wir massgeblich beteiligt. Neu gibt es einen Qualitätswettbewerb, nicht einen Wettbewerb des billigsten Preises. Nun leisten wir viel Überzeugungsarbeit, damit auch die Kantone und die Gemeinden nachziehen.

Ich lade auch Baukader Schweiz ein, sich an dieser Arbeit zu beteiligen. Hier können Sie etwas bewirken. Das würde allen Akteuren der Baubranche nützen.

Meine Damen und Herren, seien wir zukunftsgerichtet und vor allem optimistisch. Wir haben den schönsten Beruf der Welt! Tragen wir gemeinsam diese Botschaft nach aussen. Übermitteln wir sie der nächsten Generation, unseren Töchtern und unseren Söhnen!»

Das Video der Rede finden Sie hier.

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Schweizerischer Baumeisterverband

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