Zinsanstieg: Wahrscheinlichkeit und Folgen

Laut einer PwC-Umfrage erachten Baufirmen einen Zinsanstieg als das grösste Risiko. Wie wahrscheinlich ist so ein Anstieg?  Laut einer PwC-Umfrage erachten Baufirmen einen Zinsanstieg als das grösste Risiko. Wie wahrscheinlich ist so ein Anstieg?  

 

Die Inflation und der Euro-Franken-Wechselkurs bestimmen die Schweizer Geldpolitik. Nur wenn die Inflation steigen oder sich der Franken abschwächen sollte, würde der Leitzins wieder steigen. Sowohl auf die kurze als auch auf die mittlere Frist ist jedoch davon auszugehen, dass der Franken bei einem Kurs von etwa 1.10 bleibt aufgrund der lockeren Geldpolitik in der Eurozone. Ausserdem schätzt die Schweizerische Nationalbank selbst, dass die Inflation bis Ende 2023 auf nur 0.5% klettern dürfte. Daher ist ein Zinsanstieg bis Ende 2023 sehr unwahrscheinlich.

Wann erwarten die Finanzmärkte steigende Zinsen?

Die Grafik zeigt die geschätzte Entwicklung der Zinsen für Übernachtkredite. Bei einem Übernachtkredit leiht eine Bank einer anderen Geld für 24 Stunden. Der Zins auf den Übernachtkredit ähnelt wegen seiner Kurzfristigkeit stark dem Leitzins der Schweizerischen Nationalbank. Steigt der Leitzins, erhöhen sich auch die längerfristigen Zinsen. Die Finanzmärkte erwarten, dass der Übernachtzins in der Schweiz bis 2023 auf dem heutigen Niveau verharrt. Erst in 10 Jahren dürfte der Zins erstmals wieder positiv werden und selbst in 20 Jahren soll der Zins bloss 0.3% betragen.

Reaktion des Hochbaus

Steigen Zinsen, sinken Aktienkurse und Immobilienwerte. Investoren bauen dann weniger Mehrfamilienhäuser. Ohnehin war die Bautätigkeit im Hochbau relativ zur Nachfrage zuletzt hoch, weswegen die Rendite auf Mehrfamilienhäuser gesunken ist. Steigen die Zinsen, so resultiert eine geringere Nachfrage. Mit etwas Verzögerung wird daher die Rendite wieder zunehmen, sodass Immobilienanlagen weiterhin attraktiv bleiben und nicht plötzlich in der Investorengunst fallen dürften.

Reaktion des Tiefbaus

Höhere Zinsen bedeuten mehr Ausgaben für Gemeinden, Kantone und der Bund für Schulden. Damit wird die Fremdfinanzierung von Bauprojekten teurer, folglich könnten die Staatsausgaben für Infrastruktur sinken. Das Risiko ist aber gering: Schweizer Staatsanleihen gelten als derart sicher, dass ihre derzeit Zinsen negativ sind. Der Zinsanstieg wird daher, wenn überhaupt, graduell erfolgen und Infrastrukturprojekte bleiben erschwinglich.

Wie hoch ist das Risiko?

Ein Zinsanstieg ist unwahrscheinlich und er hätte geringe direkten Folgen für den Hochbau und Tiefbau. Es gibt aber ein grosses systematisches Risiko: die Überschuldung der privaten Haushalte und daran gekoppelt der Einbruch der Immobilienpreise und infolge einer schweren, langanhaltenden Rezession in der Schweiz. Dies hätte das Potenzial, die Bauaktivität in der Schweiz für viele Jahre lahmzulegen. Dieses Risiko stufen wir als gering ein, wie etwa der Risikoindikator der UBS andeutet.

 

 

Über den Autor

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Martin Maniera

Ökonom & wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik

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