Beton ohne Schwerkraft

Im Metaversum gibt es keine Grenzen. Die Schwerkraft gilt nicht, die Statik spielt keine Rolle, und die Mechanik ist irrelevant. Die Freiheiten sind unendlich.

Im Metaversum gibt es keine Grenzen. Die Schwerkraft gilt nicht, die Statik spielt keine Rolle, und die Mechanik ist irrelevant. Die Freiheiten sind unendlich. Trotzdem wird in diesen Universen so gebaut, dass viele virtuelle Häuser wie reale Häuser aussehen.

Plattformen wie Decentraland und Cryptovoxels kennen Bauvorschriften. Will ein Grundstückbesitzer in Cryptovoxels zum Beispiel ein Gebäude anmalen, kostet die Farbe extra. Auch in Decentraland müssen Vorgaben eingehalten werden. Die Regeln sind vergleichbar mit einer Bauzonenordnung und können alles normieren – von der Gebäudehöhe bis zum Abstand zwischen benachbarten Bauwerken. Diese Bestimmungen gibt es, damit die Vielfalt an Kunstwerken auf der Plattform unabhängig von der Browsergeschwindigkeit schnell dargestellt werden kann.

Trotz den Einschränkungen hat jedes Metaversum seine eigene Ästhetik. Die Gestaltung der virtuellen Welten hat nicht nur Einfluss auf das Spielerlebnis und darauf, wie die User miteinander umgehen. Das Design hat vor allem wirtschaftliche Folgen: Die Stromkosten, um live eine fotorealistische Umgebung für einen Besucher zu erzeugen, betragen 75 Rappen pro Stunde. Das macht bei 50 000 Besuchern in 24 Stunden eine Million Franken.

Gäbe es keine Bauvorschriften, wären die Gestaltungsmöglichkeiten im Metaversum nur durch unsere Vorstellungskraft begrenzt. Wir können uns also auf einen Tennismatch in einem Ballsaal von Schloss Versailles freuen oder auf eine Bürositzung in der Mezquita, der Moschee in Córdoba.

 

Autor: Simon Tanner, visueller Journalist bei der NZZ.

Dieser Beitrag erschien im NZZ Folio Nr. 364. Weitere Reisen im Netz: Metaverse (nzz.ch).

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Schweizerischer Baumeisterverband

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