Dysfunktionaler Mindestlohn schadet der Baubranche

Trotz guter Leistung erhalten viele Bauarbeiter lediglich den Mindestlohn, in erster Linie deshalb, weil dieser sehr hoch ist. Der Mindestlohn im Bauhauptgewerbe hat mannigfaltige negative Auswirkungen auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Jede Arbeitskraft erbringt eine Leistung und wird dafür mit dem Lohn entschädigt. So vielfältig die Menschen, so individuell ist auch ihre Leistung. Daher kommt es, dass die Löhne zwischen den Beschäftigten variieren. Mindestlöhne sollen dafür sorgen, dass ein Arbeitgeber nicht missbräuchlich tiefe Löhne zahlt. Sie sollen zudem sicherstellen, dass die Beschäftigten von ihrem Lohn leben können. Sind die Mindestlöhne jedoch weit über dem Marktlohn angesetzt, erbringen manche Arbeitnehmer weniger Leistung als dies für den Lohn gerechtfertigt wäre. Je weiter der Mindest- über dem Markt-lohn liegt, desto mehr Menschen sind negativ betroffen.

Dass dieser Zusammenhang im realen Leben existiert, zeigen empirische Untersuchungen im Bauhauptgewerbe in der Schweiz und in Deutschland sowie im Die Mindestlöhne im Schweizer Bauhauptgewerbe sind hoch relativ zu anderen Branchen und insbesondere hoch im internationalen Vergleich. Die Folge: Bei 20-30% der Beschäftigten mancher Lohnklassen entspricht der tatsächlich ausbezahlte Effektivlohn praktisch dem Mindestlohn.

Mindestlöhne schotten Arbeitsmärkte ab

Der Mindestlohn funktioniert wie ein Torwächter, der den Arbeitsmarkt in einen exklusiven Club einteilt. Wer Zugang erhält und eine Arbeit findet, kann sich über einen Lohn freuen, den er eventuell auf dem freien Markt nicht erreichen könnte. Aber die Beschäftigung ist nicht auf Dauer garantiert. Bei der nächsten Erhöhung der Mindestlöhne kann es durchaus passieren, dass diese Person arbeitslos wird und damit ihre «Clubmitgliedschaft» verliert. Studien belegen, dass eine Erhöhung der Mindestlöhne die Beschäftigung senkt. Insbesondere wenig produktive Arbeitskräfte und jene ohne Berufs- oder Bildungsabschluss laufen Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren.

Ein erneuter Einstieg bei einer anderen Firma gestaltet sich in der Regel schwierig, da die Einstiegshürden sprich der Mindestlohn für alle Betriebe gleichermassen angestiegen ist. Ein Personalverleiher ist dann ein mögliche Wiedereinstiegskanal. Für manche Beschäftigte ist die Temporärarbeit die gewünschte, da flexible Arbeitsform. Die meisten Arbeitnehmer bevorzugen wegen der damit verbundenen finanziellen Sicherheit jedoch eine Festanstellung. Eine Erhöhung des Mindestlohns führt dazu, dass die Anzahl der Temporärbeschäftigten steigt. Die Betroffenen werden meist nur vorübergehend eingesetzt, um Arbeitsspitzen zu bewältigen.

Mindestlöhne verstärken den Mangel an Fachkräften

Der Mindestlohn schränkt eine leistungsgerechte Differenzierung bei den Löhnen erheblich ein. Wenig produktive Arbeitskräfte verdienen ausserordentlich gut, was jedoch zulasten der Leistungsträger geht, denn ein hoher Mindestlohn schränkt den finanziellen Spielraum der Arbeitgeber stark ein. Die mittel- und die hochproduktiven Arbeitskräfte verdienen also weniger, als sie auf einem freien Arbeitsmarkt erhalten würden. Diese Lage führt zu Frustrationen, nachlassender Motivation und letztlich geringerer Arbeitsleistung. Früher oder später entschliessen sich solche Arbeiter, die Branche zu verlassen und anderswo einen angemesseneren Lohn zu verdienen.

Der Mindestlohn trägt noch auf eine weitere Art zum Fachkräftemangel im Bauhauptgewerbe bei. Es rentiert für Baufirmen weniger, einen Lehrling auszubilden, obschon diese nicht dem Mindestlohn unterliegen. Zum einen ist der finanzielle Spielraum eines Betriebs ohnehin eng, so dass ein Lehrverhältnis bei zu hohen Mindestlöhnen nicht im Budget liegt. Zum anderen muss sich die Baufirma die Frage stellen, ob ein Lehrling nach seiner Ausbildung zum finanziellen Wohlergehen der Firma beitragen kann. Je höher der künftige Mindestlohn sein wird, desto öfter fällt die Antwort negativ aus.

Zu hohe Mindestlöhne senken die Beschäftigung und die Produktivität. Sie sorgen dafür, dass mehr Hochqualifizierte das Bauhauptgewerbe verlassen und weniger Lehrlinge in die Branche eintreten. Zu hohe Mindestlöhne torpedieren den Wunsch der Bauarbeiter selbst nach Jobsicherheit und eigenen Entwicklungsmöglichkeiten, und den Anspruch, den Lohn durch die eigene Leistung zu verdienen.

Über den Autor

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Martin Maniera

Ökonom & wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik

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