Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen

Fachkräftemangel sowie die gesellschaftliche und technische Entwicklung stellen das Personalmanagement vor grosse Herausforderungen. Wie können diese gemeistert und das Unternehmen für Arbeitnehmende attraktiver gemacht werden? Antworten liefert Matthias Mölleney, der u.a. als Personalverantwortlicher bei Lufthansa, Swissair und anderen internationalen Konzernen jahrzehntelang Erfahrungen sammelte.

 

Was ist für Sie die wichtigste Erkenntnis aus Ihrer Arbeit?

Das Wichtigste ist, man muss sich für Menschen interessieren. Und das gilt nicht nur im Personalmanagement, sondern ganz generell im Unternehmensumfeld. Angestellte, Kollegen, Führungskräfte, Kunden und Lieferanten – alles sind Menschen, daher sollte die Menschenorientierung absolut im Fokus stehen.

 

Wie haben sich die Ansprüche an das Personalmanagement und das «Recruiting» verändert?

Die Anforderungen sind generell gestiegen. Einerseits angesichts der Digitalisierung. Damit muss ich mich auch als KMU beschäftigen. Denn um neues Personal zu finden, kann ich – aus den Augen meiner Zielgruppe gesehen – nicht wie in der «Steinzeit» rekrutieren. Insbesondere, wenn diese quasi ausschliesslich auf Social-Media unterwegs und über klassische Kanäle und eine überholte Kommunikation nicht erreichbar ist. Das Thema betrifft aber auch die interne Kommunikation. Zudem entstehen ganz neue Berufe, die bisher unbekannt waren. Der Veränderungsdruck aufgrund technologischer Fortschritte ist enorm. Hinzu kommt der Fachkräftemangel.

 

Wie steigere ich als Unternehmen meine Attraktivität für Arbeitnehmende?

Attraktivität entsteht nicht im Aussen, sondern immer von innen heraus. Ein Bewerber stellt sich stets die Frage, wie wird es mir gehen, falls mich das Unternehmen anstellt, wie ist das Arbeitsklima? Früher war das schwer zu eruieren. Heute genügen ein paar Klicks, um in Social-Media-Netzwerken Menschen zu finden und sie zu fragen, wie das interne Klima in ihrem Unternehmen ist und ob man sich dort wohlfühlt. Raten diese von einer Bewerbung ab, nützt die beste Kampagne nichts. Deshalb ist die Sicherstellung eines guten Arbeitsklimas die Basis für die Zukunft meines Unternehmens.

 

Wie erreiche ich ein gutes Arbeitsklima und binde meine Mitarbeitenden? 

Es sind zuerst die Anstellungsbedingungen und die Beantwortung folgender Fragen, die für die Mitarbeiter hier eine grosse Rolle spielen: Ist die Bezahlung marktgerecht und angemessen? Wie viel Einfluss habe ich auf den Dienstplan? Werde ich ernst genommen und darf mitreden? Wie wichtig bin ich? Werde ich lediglich als ausführendes Organ und Ressource verplant oder als Mensch wertgeschätzt? Ganz entscheidend ist die «psychologische Sicherheit», das heisst die Abwesenheit von Angst sich zu äussern. Die Mitarbeiter müssen Wertschätzung als Mensch erfahren und sich eingeladen fühlen, Fragen zu stellen, zu kommentieren, Ideen einzubringen und dabei spüren, dass ihre Meinung relevant ist. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass hier eine direkte Verbindung zu Kreativität, Entwicklungsfähigkeit, Resilienz und Leistungsbereitschaft besteht. Wenn Mitarbeitende keine Angst haben, sich zu äussern, bringt das nicht nur mehr Innovation, sondern ganz konkret auch mehr Leistung im Team. Nicht der Bonus, also die extrinsische Motivation, ist der massgebliche Leistungsanreiz. Nur die intrinsische Motivation, der innere Antrieb, führt zu nachhaltiger Leistung und die wiederum hängt ganz stark von dieser psychologischen Sicherheit ab. In diesen Komplex gehört auch, meinen Angestellten Möglichkeiten zur Weiterentwicklung anzubieten.

 

«Wenn ich als Unternehmen nicht konsequent menschenorientiert bin, werde ich auf dem Markt der Zukunft keine Chance haben.» Matthias Mölleney

Wie schaffe ich Entwicklungsmöglichkeiten für meine Mitarbeitenden?

Das ist heute viel einfacher als früher, wo Entwicklung eindimensional und der «Aufstieg nach oben» zentral waren. Die jüngere Generation strebt nicht mehr unbedingt eine Führungsrolle an. Es geht vielmehr um die Weiterentwicklung einer individuellen fachlichen Expertise und darum, hier und da etwas anderes oder Neues auszuprobieren, vielleicht ein Projekt zu leiten, einen Event zu organisieren etc. Dafür gibt es heute in den meisten Unternehmen auch mehr Möglichkeiten als früher.

 

Wie finde und sichere ich mir die benötigten Fachkräfte? 

Ich muss meine Zielgruppe möglichst präzise definieren und Fragen beantworten wie: Was für Menschen mit welchen Qualitäten und Qualifikationen suche ich? Wo und wie kann ich Verbindung mit ihnen aufnehmen? Es gilt aktiv zu werden, Eigeninitiative und echtes Interesse an den einzelnen Personen zu zeigen. Dazu gehört etwa, in Schulen zu gehen und Mitarbeitende und deren Netzwerke einzubeziehen. Nachzufragen, wen kennt ihr aus Ausbildung, Nachbarschaft, Verwandtschaft oder Freundeskreis, der gut zu uns passen würde. «Mitarbeiter werben Mitarbeiter»-Programme und eine kleine Prämie als Anreiz können hier viel bewirken.

 

Jacqueline Vinzelberg

 

Matthias Mölleney

Matthias Mölleney sammelte unter anderem als Personalverantwortlicher bei Lufthansa, Swissair und anderen internationalen Konzernen jahrzehntelang Erfahrung. Er engagiert sich in der Führung zahlreicher Expertengremien, als Autor und Dozent. 2006 gründete er «peopleXpert» und berät eine Vielzahl Unternehmen, vom KMU bis hin zu internationalen Organisationen. 

www.peoplexpert.ch 

Über den Autor

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Schweizerischer Baumeisterverband

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