Nachhaltigkeit – Das neue Paradigma im öffentlichen Beschaffungsrecht

Bund und Kantone verfügen mit dem BöB und dem IVöB über ein modernes und transparentes Regelwerk. Statt Preis sollen Qualität und Nachhaltigkeit zählen.

Bund und Kantone verfügen mit dem BöB und dem IVöB über ein modernes und transparentes Regelwerk. Statt Preis sollen Qualität und Nachhaltigkeit zählen.

Im Juni 2019 haben National- und Ständerat der Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) zugestimmt. Im Februar 2020 hat der Bundesrat die revidierte Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) verabschiedet. Die beiden revidierten Erlasse auf Bundesstufe sind am 1. Januar 2021 in Kraft getreten.

Nebst der Umsetzung der Änderungen im übergeordneten WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen verfolgt die Revision das Ziel der Harmonisierung des Beschaffungsrechts in der Schweiz. Dazu wurde parallel die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) überarbeitet, welche das Beschaffungsrecht auf kantonaler Ebene regelt. Bereits haben einige Kantone das neue Recht übernommen, etliche befinden sich im Gesetzgebungsprozess dazu.

Damit verfügen Bund und Kantone über ein modernes, gut strukturiertes, anwenderfreundliches und transparentes öffentliches Beschaffungsrecht. Ziel der Politik ist nicht mehr ein möglichst günstiger Einkauf, sondern ein Anbieterwettbewerb nach Qualitätskriterien.

Das neue Paradigma des öffentlichen Beschaffungsrechts ist die Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit im Zentrum

Das neue Paradigma des öffentlichen Beschaffungsrechts ist die Nachhaltigkeit. Bezweckt wird neu «der wirtschaftliche und der volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltige Einsatz der öffentlichen Mittel».Das bedeutet konkret, dass jede Vergabebehörde im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung den Grundsätzen der Nachhaltigkeit Nachachtung verschaffen muss.

Zuschlag an das «vorteilhafteste Angebot»

Nach dem neuen Recht erhält das vorteilhafteste Angebot den Zuschlag Die Angebotsbewertung soll nicht mehr in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit erfolgen, sondern vielmehr die qualitativen Aspekte der Beschaffung umfassender berücksichtigen. Im Lichte des Zweckartikels kann «vorteilhaft» nicht anders verstanden werden als «wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltig».

Ausschluss «ungewöhnlich niedriger Angebote»

Das neue Recht sieht eine wichtige Neuerung im Umgang mit Dumpingangeboten vor. Angebote, die im Vergleich zu anderen Angeboten ungewöhnlich niedrig erscheinen, müssen vom Auftraggeber überprüft werden. Ungewöhnlich niedrig dürfte ein Angebot sein, das mindestens 30% unter dem Mittel der Angebote liegt. Liegt ein ungewöhnlich niedriges Angebot vor, hat der Auftraggeber abzuklären, ob die Teilnahmebedingungen eingehalten sind und die weiteren Anforderungen der Ausschreibung verstanden sind. Ist die Prüfung negativ, muss das Angebot aus dem Verfahren ausgeschlossen werden.

Eine Fülle von Zuschlagskriterien

BöB und IVöB sehen eine Fülle von Zuschlagskriterien vor. Erwähnt werden etwa die Lebenszykluskosten, die Nachhaltigkeit, die Plausibilität des Angebots, die Verlässlichkeit des Preises, die Kreativität und der Innovationsgehalt. In der IVöB nicht enthalten sind die Kriterien der Verlässlichkeit des Preises sowie der Berücksichtigung unterschiedlicher Preisniveaus. Aufgrund der nicht abschliessenden Regelung sind diese aber dennoch anwendbar.

Autor: Mario Marti, Geschäftsführer suisse.ing

Über den Autor

Dr. Mario Marti ist Rechtsanwalt bei Kellerhals Carrard und Geschäftsführer suisse.ing. Er ist Herausgeber des Buchs «Der Paradigmenwechsel im öffentlichen Beschaffungsrecht», das unter der Leitung von Bauenschweiz verfasst wurde. Das Werk bietet eine Auslegeordnung und praxisnahe Umsetzungshilfe. Sie können das Buch direkt beim Verlag bestellen.

Über den Autor

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Schweizerischer Baumeisterverband

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