Was die Daten von Bund und simap.ch über den Kulturwandel sagen

Ein Vergleich der Zahlen von Bauenschweiz (simap.ch) und dem Bund zur Umsetzung des revidierten Vergaberechts für 2022 zeigt viele Gemeinsamkeiten, aber auch interessante Unterschiede.

Mit der Totalrevision des öffentlichen Beschaffungswesens stellt sich die Frage, ob der angestrebte Kulturwandel tatsächlich in der Praxis ankommt. Bauenschweiz publiziert seit Ende 2022 ein Vergabemonitoring, das mit Daten der Ausschreibungsplattform simap.ch den Kulturwandel quantitativ erfasst. Auf Bundesebene laufen ähnliche Bestrebungen. Im Rahmen des Beschaffungscontrolling der Bundesverwaltung publizierte die Beschaffungskonferenz des Bundes (BKB) im Sommer 2023 erstmals das Monitoring zur Umsetzung der Beschaffungsstrategie des Bundes für das Jahr 2022.

Mehr Daten, mehr Methoden: Mehr Wissen

Die Realität lässt sich nur begrenzt mit Zahlen abbilden. Jede Studie bietet einen Blick aus einer bestimmten Perspektive. Diese kann u.a. aufgrund der gewählten Methode variieren. Deshalb können einzelne Studienergebnisse erst unter Einbezug verschiedener Methoden sinnvoll eingeordnet und interpretiert werden. Worin unterscheiden sich der Vergabemonitor von Bauenschweiz und das Monitoring zur Umsetzung der Vergabestrategie des Bundes? Welche weiterführenden Erkenntnisse zur Interpretation der Instrumente, und zum Kulturwandel im Beschaffungswesen allgemein, könnte ein solcher Vergleich liefern? Bauenschweiz hat für diesen Beitrag das eigene Modell auf die Zahlen von 2022 angewendet, um die Fragen zu diskutieren (vgl. Tabellen).

 

 

Abgrenzung zwischen Bauenschweiz und Bund

Beide Instrumente untersuchen die im Vergabemonitoring Bauenschweiz verwendeten Indikatoren. Bauenschweiz bezieht eine grosse Anzahl Ausschreibungen von simap.ch, einschliesslich 42% der freihändigen Verfahren des Bundes. Die Indikatoren wurden statistisch modelliert und unterscheiden nicht zwischen einzelnen Bedarfsstellen. Der Bund erhebt die Daten aus Umfragen bei seinen fünf grössten Beschaffungsstellen.

Bei den einzelnen Zuschlagskriterien erhebt der Bund die mittlere Gewichtung, bei den Verfahren die Auftretenshäufigkeit. Bauenschweiz berechnet die mittlere Qualitätsgewichtung, bei den übrigen Indikatoren ebenso die Auftretenshäufigkeit. Damit können die Qualitätsgewichtung und Verfahren jeweils ähnlich, die Zuschlagskriterien unterschiedlich interpretiert werden.

Gewichtung der Qualität und Häufigkeit der Verfahrensarten

Für 2022 lag die mittlere Qualitätsgewichtung bei Bundesvergaben zwischen 59% (Bund) und 63% (Bauenschweiz). Auch Zahlen zum Einsatz des Dialogverfahrens und der zugelassenen Varianten sind gut vergleichbar. Hier fallen die Schätzungen von Bauenschweiz mindestens doppelt so hoch aus wie jene des Bundes. Der mittlere Anteil aller Ausschreibungen wäre somit zwischen 1 und 2% für das Dialogverfahren und 4 bis 11% für zugelassene Varianten. Umgekehrt weist der Bund mehr Wettbewerbsverfahren aus als Bauenschweiz.

Interpretation der Zuschlagskriterien

Der Bund gewichtete die Nachhaltigkeit im Mittel mit 2%. Den höchsten Wert meldete das BBL (7%) den geringsten das Astra (2%). Die armassuisse Immobilien berücksichtigte das Kriterium überhaupt nicht. Gemäss dem Modell von Bauenschweiz trat Nachhaltigkeit in 8% aller Bundesvergaben auf. Im Mittel gewichtete der Bund die Plausibilität des Angebotes und die Verlässlichkeit des Preises mit je 1%, wohingegen Bauenschweiz Häufigkeiten von 5% bzw. 1% ausmacht.

Je offener die Ausschreibung, desto mehr Kulturwandel?

Aus der Vogelperspektive bewegen sich die Zahlen von Bund und Bauenschweiz in ähnlichen Grössenordnungen. Letztere erweisen sich im direkten Vergleich insgesamt als optimistischer, mit Ausnahme bei den Wettbewerben. Ein Grund liegt sicher in der Datenauswahl. Bauenschweiz erfasst nur knapp 40% der freihändigen Ausschreibungen des Bundes. So stellt sich die Frage, ob der Kulturwandel allenfalls unterschiedlich greifen könnte, je höherrangig das gewählte Vergabeverfahren ist. Während dann Wettbewerbe seltener offen ausgeschrieben würden, kämen umgekehrt Qualität, Dialog und Varianten in offenen Ausschreibungen häufiger zum Zug.

Sowohl die Methode von Bauenschweiz als auch jene des Bundes haben ihre Stärken und Schwächen bezüglich der Datenauswahl, deren Genauigkeit und Interpretation. In Ergänzung erweitern sie den Blickwinkel und liefern neue Erkenntnisse und Fragenstellungen, welche für die fortlaufende Diskussion nützlich sein können.

 

Autor: Laurens Abu-Talib, Inhaber Politaris (Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.bauenschweiz.ch)

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