Neue Wege für den Güterverkehr

Der Onlinehandel boomt. Die dadurch ausgelöste Paketflut führt in den Städten zu mehr Fahrten, Staus und höherer Umweltbelastung. Der Kanton Zürich setzt bei seinem Güterverkehrs- und Logistikkonzept auf die Schiene.

 

Es ist eine riesige Menge an Gütern, die pro Jahr in, aus und durch den Kanton Zürich transportiert wird. 2019 waren es 92,4 Millionen Tonnen. Angesichts des prognostizierten Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums dürfte dieses Volumen bis 2040 auf rund 108 Millionen Tonnen steigen. Der Grossteil davon, 87 Prozent des Güterverkehrs, wird über die Strasse abgewickelt, nur 13 Prozent über die Schiene. Ein wesentlicher Grund für diesen gestiegenen Güterverkehrs ist der Onlinehandel, der sich zwischen 2010 und 2020 umsatzmässig mehr als verdoppelt hat. Corona und Home-Office haben dazu geführt, dass heute viel mehr Konsumenten ihre Einkäufe im Internet erledigen. Die Folgen: Dieses geänderte Einkaufsverhalten hat Auswirkungen auf den Verkehr. Mehr Onlinehandel heisst weniger gebündelte Anlieferungen an lokale Geschäfte, dafür mehr und schlechter gebündelten Verkehr in die Agglomerationen und Wohngebiete. Während früher ein Pöstler alle Pakete geliefert hat, fahren heute vier verschiedene Lieferdienste in die Quartiere. Sofern dadurch nicht Einkaufsfahrten per Auto reduziert werden, führt das auf den Strassen zu erheblich mehr Fahrten, Staus und höherer Umweltbelastung.

 

Anlieferungen besser koordinieren

Der Kanton Zürich hat dies erkannt und im Herbst 2022 das erste Güterverkehrs- und Logistikkonzept (GVLK) vorgestellt. Ziel ist es, Voraussetzungen für eine sichere, flächensparende sowie klimafreundlichere Versorgung und Entsorgung im Kanton zu schaffen. Das Konzept mit Planungshorizont bis 2040 soll eine zentrale, verlässliche Grundlage für die Planungen von Kanton, Gemeinden und Dritten im Bereich des Güterverkehrs bilden.

Wie soll dies erreicht werden? Ein grosses Potential sieht der Kanton Zürich beim Schienengüterverkehr, vor allem bei Branchen wie Detailhandel, Bauindustrie und Entsorgung. Eine Massnahme sieht zum Beispiel vor, Gütververkehrsströme auf der Schiene bis in die urbanen Räume zu bündeln, möglichst nahe zu den Endverbrauchern. Dies würde die Verkehrsbelastung auf dem Strassennetz deutlich reduzieren. Die Voraussetzung dafür sind leistungsfähige Anlagen, an denen die Güter zur Feinverteilung an Läden und Kunden von der Schiene auf die Strasse umgeladen werden. Der Kanton will darauf hinwirken, dass die Standorte dafür in den nächsten Jahren grundeigentümerverbindlich gesichert werden.

Das GVLK sieht auch vor, die Rahmenbedingungen für den Güterverkehr so zu gestalten, dass sich die Anlieferungen effizienter gestalten lassen. Mit digitalen Plattformen könnten zum Beispiel Lieferwagen besser ausgelastet und somit Fahrten koordiniert und reduziert werden.

 

Herausforderungen für Politik und Wirtschaft

Mehr ein Jahr ist seit der Vorstellung des Konzepts verstrichen. Der Kanton Zürich stellt in den vergangenen Monaten ein zunehmendes Interesse bei Politik und Wirtschaft betreffend Güterverkehr fest. «Wir konnten unser Konzept bei verschiedenen Interessengruppen und an Fachtagungen vorstellen», sagtPaul Schneeberger, Projektleiter Güterverkehr im Amt für Mobilität der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich. Im vergangenen September sei erstmals unter dem Titel «Güterverkehrsrunde» ein Dialoganlass mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Logistikwirtschaft durchgeführt worden, der künftig jedes Jahr stattfinden wird. Weiter wurde Anfang 2023 eine kantonale Koordinationsstelle Güterverkehr & Logistik (KGL) geschaffen, die vor allem eine Drehscheibe für Güterverkehrsfragen ist. Sie wird in die kantonalen Planungen einbezogen und wirkt mit Regionen und Gemeinden sowie mit Forschenden und anderen Anspruchsgruppen zusammen. Damit wird sichergestellt, dass der Güterverkehr trotz absehbaren Herausforderungen weiterhin reibungslos abgewickelt werden kann.

Ein funktionierende Güterversorgung und -entsorgung ist zwar für Wirtschaft und Bevölkerung im Kanton Zürich unentbehrlich, aber niemand will diese vor der Haustüre, da sie mit Lärm oder teilweise auch mit Schmutz verbunden ist. Schneeberger: «Hier gilt es auf zwei Seiten anzusetzen. Einerseits bei der Akzeptanz: Alle Beteiligten, also die Produzenten und Versendenden, die Transporteure, die Empfänger und die öffentliche Hand, sind gehalten, in der Bevölkerung das Bewusstsein für den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Güterverkehr und Ver- und Entsorgung zu stärken und dessen Notwendigkeit und Wichtigkeit aufzuzeigen. Andererseits bei der Gestaltung des Güterverkehrs: Seine negativen Auswirkungen wie Lärm, Schadstoffe und so weiter sind zu verringern, und es ist darauf zu achten, dass er umgebungsverträglich abgewickelt werden kann.» Angesichts der genannten Herausforderungen ist in Politik und Wirtschaft das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es geeigneter Rahmenbedingungen bedarf, um sicherzustellen, dass der Warentransport auch unter den genannten Gegebenheiten funktionieren kann.

 

Sicherung der Umschlagflächen

In welcher Phase befindet sich der Kanton Zürich zurzeit bezüglich GVLK? Aktuell liegt der Schwerpunkt auf der Sicherung von Umschlagflächen. «Dadurch will der Kanton dafür sorgen, dass in den baulich immer dichteren Städten und Agglomerationen auch künftig Raum für den Umschlag von Gütern zur Verfügung steht» so Paul Schneeberger. Basierend auf Grundlagenstudien wurde das Kapitel «Güterverkehr» des Kantonalen Richtplans gesamthaft überarbeitet: Vom 1. Dezember 2023 bis am 15. März 2024 findet dazu die öffentliche Auflage statt, anschliessend der Regierungsrat die Anpassungen dem Kantonsrat unterbreiten. Ziel sei es, in Städten und Agglomerationen ein dichtes Netz von Umschlagpunkten zwischen Schiene und Strasse in einem ersten Schritt behördenverbindlich zu sichern, damit mehr Güter über mittlere und lange Distanzen bis in die Ballungsräume mit der Bahn transportiert werden können. 2024 steht weiterhin die Flächensicherung im Zentrum der kantonalen Aktivitäten. «In einem zweiten Schritt geht es darum, die Umschlagplätze grundeigentümerverbindlich zu sichern. Zudem werden wir den Dialog mit allen Anspruchsgruppen verstärken», sagt Schneeberger.

 

Werner Schüepp

 

City-Logistik bei Post und Planzer

Die Post will Briefe und Pakete bis 2030 auf der letzten Meile lärm- und CO2-frei zustellen. Sie setzt in der Stadt Zürich auf City-Logistik-Hubs. Vorher wurden die Briefe und Pakete für den Innenstadtbereich von den grossen Zustellstellen Urdorf und Oerlikon mit Lieferwagen und Dreiradfahrzeugen in die Innenstadt transportiert und an die Haushalte zugestellt. Seit der Inbetriebnahme der City-Logistik-Hubs Enge 2020 und Neumünster 2021 transportiert ein LKW die Sendungen ausserhalb der Stosszeiten an diese bestehenden Zustellstellen. Auf deren freien Flächen werden die Briefe und Pakete gelagert und optimal auf die Boten und Fahrzeuge verteilt. Anschliessend bringen Boten die Sendungen mit Elektrofahrzeugen zu Geschäften und Haushaltungen in der direkten Umgebung. Planzer, das Transport- und Logistikunternehmen, setzt ebenfalls auf ein City-Logistik-Konzept. Damit fahren Güter inklusiv Pakete aus der ganzen Schweiz auf der Schiene in die städtischen Planzer-Bahncenter. Dort wird die Ware gebündelt und empfängerspezifisch ausgeliefert. Diese Abhol- und Zustelllogistik für Ballungscentren mit der Bahn als Hauptverkehrsträger erlaubt es Planzer, die Anzahl Fahrten in eine Stadt zu reduzieren und eine umweltoptimierte Feinverteilung auf der letzten Meile vorzunehmen.

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Schweizerischer Baumeisterverband

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