Zeit für Europas Umbau Hohe Zinsen und Baukosten dämpfen Wohnungsneubau in Europa, Sanierungen dürften hingegen zunehmen. Mittwoch, 2.8.2023 | 08:00 ... Schweizerischer Baumeisterverband Baumeister 5.0 Konjunktur und Statistiken Zahlen und Fakten Zeit für Europas Umbau Mithilfe der Grafik unten navigieren Sie durch die Geschichte. Klicken Sie auf die Ziffern. 1 1 2 2 3 3 4 4 1. Zurückhaltend bauen wegen hoher Baukosten und Zinsen Nicht nur Corona hat in den letzten Jahren die Bauaktivität in Europa geprägt. Obwohl die Pandemie nur geringe dauerhafte Spuren bei der Bauaktivität hinterlassen und sich die Baubranche von ihr erholt hat, prägen Faktoren wie der russisch-ukrainische Krieg und die damit verbundene Inflation, hohe Energiepreise und teure, manchmal nicht lieferbare Baumaterialien die gegenwärtige Bautätigkeit. Im Vergleich zum 3. Quartal 2020 haben sich die Baukosten für ein Mehrfamilienhaus in vielen europäischen Ländern 2023 um mehr als 15% erhöht, in Deutschland um 25%, Italien 19% und in Frankreich um 18%. Die Schweiz liegt bei 15%. In Osteuropa ist die Situation teilweise noch dramatischer: Montenegro ist mit einer Bauteuerung von 71% konfrontiert, Rumänien mit 47% und Bulgarien gar mit einer Verdoppelung der Kosten. Nicht nur die Baumaterialien sind teurer geworden, sondern auch die Fremdfinanzierung. Innerhalb eines Jahres sind die Zinsen in der Eurozone um 4% gestiegen, also zwei Mal so schnell wie in der Schweiz. Dementsprechend halten sich die Bauherren etwas zurückhaltend, zumindest hinsichtlich des Neubaus von Wohnungen. × 2. Bis 2025 entstehen deutlich weniger neue Wohnungen Die hohen Baukosten und Zinsen führen in den meisten europäischen Ländern dazu, dass in den nächsten Jahren weniger Wohnungen gebaut werden, obwohl Bevölkerung und Zuwanderung zunehmen. Wurden 2021 noch rund 1.8 Millionen Wohnungen in Europa errichtet, werden 2025 nicht einmal mehr 1.6 Millionen entstehen, dies bedeutet einen Rückgang von 12.1%. Im Deutschland werden 2025 31.8% weniger Wohnungen als 2021 gebaut, in Frankreich 14.5% und in Österreich 28.3%. Nur in fünf Ländern in Europa dürfte der Wohnungsbau zwischen 2021 und 2025 zulegen: Irland, Slowakei, Portugal, Spanien und Italien. Italien baute 2021 etwa 88‘000 neue Wohnungen, 2023 und 2024 dürften es jeweils mehr als 100‘000 werden. Baukosten und Zinsen als auch Förderprogramme sorgen für eine Anpassung der Bauinvestitionsströme in Europa. Die Bautätigkeit von neuen Wohnungen dürfte zwischen 2021 und 2025 um etwa 5% abnehmen, jene der Sanierungen hingegen leicht steigen. Im restlichen Hochbau hingegen - also Wirtschaftsbau und öffentlicher Hochbau – dürften sowohl Neubau als auch Umbau um jeweils 5% wachsen. Diese beiden Sparten weisen neuerdings auch in der Schweiz mehr Investitionen in Umbau/Sanierung als in Neubau aus. Die Europäische Union hat einen sehr umfangreichen Investitionsfonds aufgesetzt, welcher die Konjunktur nach der Pandemie stimulieren soll. Ein grosser Teil dieser Mittel fliesst in die Infrastruktur, etwa für Strassen und Gleise. Das Tiefbauvolumen soll 2025 7% höher liegen als 2022 bzw. 14% gegenüber 2019. × 3. In mehreren Ländern herrscht Sanierungsbedarf Trotz seines Wohlstands leben rund 15% der Bevölkerung Europas unter prekären Bedingungen. Mit prekär sind Wohnräume gemeint, deren Dächer undicht und Boden feucht sind, deren Wände schimmeln oder Fenster von Fäulnis befallen sind. In der Schweiz sind 11% der Bewohner solchen Bedingungen ausgesetzt. In Spanien, Italien und Frankreich wohnen ca. 20% der Bevölkerung in einer prekären Behausung. Finnland weist mit 4.5% den tiefsten Anteil der betroffenen Bevölkerung aus, Zypern mit fast 40% den höchsten. Tendenziell zeigt sich, dass Länder mit einem höheren Durchschnittseinkommen von weniger prekären Wohnverhältnissen betroffen sind. Zum einen sind dort die Kosten für den Unterhalt relativ tragbar. Zum anderen sind in Ländern mit tiefem Einkommen auch die Wohnungsmieten gering, weshalb die Eigentümer wohl nur gedämpfte Bereitschaft für Sanierungen zeigen. Die Daten lassen indes keinen Zusammenhang zwischen Wohneigentumsquote (jener Anteil Menschen, die ihre eigene Wohnung besitzen statt sie zu mieten) und dem Sanierungsbedarf erkennen. Andere Faktoren wie der Anteil historisch alter Gebäude, der Fortschritt bei der Sanierung des Gebäudeparks sowie Förderprogramme haben ebenfalls Einfluss auf den Gebäudezustand. Zudem erklären die Qualität der Baumaterialien und die Baumängel teilweise den Zustand der Wohnungen. Eine Chance wären energiesparende Sanierungen und Förderprogramme, die insbesondere auf Nachhaltigkeit setzen. Solche Massnahmen können für Vermieter und Mieter finanziell sinnvoll sein, da die Wohnqualität steigt während die Kosten für Energie und Heizung sinken. Deutschlands Aufbau- und Resilienzplan ist ein Beispiel hierfür, zwischen 2021 und 2026 werden staatliche Zuschüsse in Höhe von 25.6 Milliarden Euro für energetische Sanierungen vergeben. × 4. Manche europäischen Länder leiden unter einer Ineffizienz des Wohnungsmarkts Man spricht oft über die effiziente Raumnutzung, in der Praxis bleiben aber viele Wohnungen trotz Zuwanderung und Bevölkerungswachstum unterbelegt, in der Europäischen Union im Durschnitt 33%. Eurostat hat untersucht, wie viele der Wohnungen in Europa nicht angemessen ausgelastet sind. Dabei werden Faktoren wie die Anzahl verfügbarer Räume, Anzahl Bewohner, Einkommensniveau und Alter berücksichtigt. Als unterbelegt gilt eine Wohnung, wenn sie für ihre gegenwärtigen Bewohner deutlich mehr Platz als üblich bietet. Umgekehrt wird eine Behausung als überbelegt bezeichnet, wenn zu viele Menschen auf einer zu geringen Fläche hausen. Je höher der Anteil der unterbelegten oder überbelegten Wohnungen, desto ineffizienter ist der Wohnmarkt. Denn es wohnen tendenziell zu viele Menschen in zu grossen bzw. in zu kleinen Wohnungen und Häusern. Die meisten unterbelegten Wohnungen finden sich auf Malta, Zypern und Irland (je etwa 70%), gefolgt von den Niederlanden, Belgien und Spanien (rund 60%). Auf der anderen Seite der Skala finden sich Montenegro und Serbien mit jeweils nur 7% unterbelegten Wohnungen. Dafür gelten dort 50-60% der Behausungen als überbelegt. Gerade Länder, in denen viele Wohnungen unterbelegt und gleichzeitig viele andere Wohnungen überbelegt sind, deuten auf einen ineffizienten Wohnungsmarkt hin. Dazu zählen etwa Litauen, Italien und Polen. Ein Wohnungstausch zwischen den Mietern könnte das Problem teilweise entschärfen, strukturelle Gründe verhindern ihn jedoch häufig. Dazu zählt etwa, dass langjährige Bewohner einer alten grossen Wohnung nicht in eine kleinere moderne Behausung umziehen, weil sie dort eine höhere Miete zahlen müssten. Die Eigentumsquote weist eine starke Korrelation mit der ineffizienten Belegung von Wohnraum aus. Je höher die Eigentumsquote, desto geringer die Unterbelegung und desto höher die Überbelegung. In Ländern mit einer hohen Unterbelegung bei gleichzeitig tiefer Überbelegung des Wohnraums spielt der Wohlstand eine Rolle. Die Schweiz etwa zählt mit 43% unterbelegten, aber nur 6% überbelegten Behausungen dazu. In solchen Fällen wird die Ressource Boden verschwendet, da die Bewohner auf einer eigentlich zu grossen Fläche leben, was eben Ausdruck des Wohlstands ist. Zudem verändern sich die Haushaltsstrukturen, immer mehr Menschen wohnen alleine. Der Wohnmarkt muss effizienter werden. Dies muss die Raumaufteilung bei Sanierungen als auch die Raumplanung beim Neubau berücksichtigen. × Über den Autor Luiza Maria Maniera [email protected] Artikel teilen
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